Pressemitteilungen 2011

MPIA Pressemitteilung Wissenschaft 2011-11-25


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Dem Sternfunkeln ein Schnippchen schlagen: Zehn Jahre erfolgreiche Beobachtungen mit Adaptiver Optik am VLT

Heute vor zehn Jahren ging NACO in Betrieb: das erste Adaptive Optik-System am Very Large Telescope der ESO. Adaptive Optik erlaubt es Astronomen, das Funkeln der Sterne – Störungen beim Durchgang des Sternenlichts durch die Erdatmosphäre – auszugleichen und so extrem detailscharfe Bilder von Himmelsobjekten zu erstellen. NACO blickt auf eine beachtliche Galerie wissenschaftlicher Ergebnisse aus zehn Jahren Beobachtungsbetrieb zurück: von der ersten Direktabbildung eines Exoplaneten bis zu Einblicken in die unmittelbare Nachbarschaft des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Heimatgalaxie.

  Abbildung 1: Dieses Nahinfrarotbild der aktiven Galaxie NGC 1097, aufgenommen mit NACO im Jahre 2005, zeigt nie zuvor gesehene Details des komplexen Netzwerks von Filamenten, welche die äußeren Regionen mit dem Zentrum der Galaxie verbinden. Diese Beobachtungen haben den Astronomen neue Einsichten dazu verschafft, wie die supermassereichen Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien mit immer neuer Materie gefüttert werden.

Bild: ESO, A. Prieto (MPIA, IAC)
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Für Nichtastronomen ist das Funkeln der Sterne eine vornehmlich romantische Angelegenheit. Für Astronomen ist es sichtbares Zeichen eines grundlegenden Problems: Wenn Licht durch turbulente Regionen der Erdatmosphäre tritt, wird es unregelmäßig abgelenkt – und das in schneller Folge immer wieder anders. Was ein scharfes Abbild eines Sterns im Teleskop sein sollte, wird durch die Verzerrung und das Hin- und Hertanzen des Sternbildchens zu einem diffusen Flecken. Bevor mit Adaptiver Optik ein Gegenmittel gefunden war, gab es für Astronomen, die besonders detailscharfe Bilder von Himmelsobjekten benötigten, nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Nutzung von Weltraumteleskopen, oder aber das Warten auf außergewöhnlich vorteilhafte atmosphärische Bedingungen, wie sie in jedem Jahr höchstens ein paar Mal auftreten – wenn überhaupt.

Zumindest im Nahinfraroten, also für elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen, die ein wenig über denen des sichtbaren Lichts liegen, können die Astronomen dieses Problem mittlerweile direkt angehen: Das sich ständig verändernde Bild wird mit Hilfe schneller Computer analysiert, die in Echtzeit einen verformbaren Spiegel steuern. Der Spiegel verformt sich so, dass Herumtanzen und Verzerrung des Bildes ausgeglichen werden.

NACO war das erste Adaptive Optik-System am VLT, dem Flaggschiff der europäischen bodengebundenen Astronomie. Das Instrument ist seit 2001 an einem der vier 8,2-Meter-Teleskope des VLT installiert und hat den wissenschaftlichen Beobachtungsbetrieb am 25. November 2001 aufgenommen (Astronomen sprechen von »first light«, vom »ersten Licht« des Instruments).

NACO war nicht das erste AO-Instrument an einem Teleskop der 8-bis-10 Meter-Klasse, ist aber ganz bestimmt eines der erfolgreichsten. Mit seiner Hilfe erreichte das VLT für seine Nahinfrarot-Beobachtungen auf einen Schlag ein Auflösungsvermögen – also die Fähigkeit, feine Details auseinanderzuhalten –, das besser ist als beim Hubble-Weltraumteleskop.

Die mit NACO gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse reichen von der Erforschung unseres Sonnensystems bis hin zu den am weiteste entfernten Galaxien.

So zeigte das Instrument das Glühen einzelner Vulkane auf dem Jupitermond Io und lieferte einige der ersten detaillierten Oberflächen- und Wetterkarten des größten Saturnmonds, Titan. Besonders gut konnte NACO seine Fähigkeiten ausspielen, wenn es darum ging, Exoplaneten nachzuweisen und zu untersuchen, also Planeten, die um ferne Sterne kreisen. Ein Meilenstein war dabei die direkte Abbildung eines schwachen Lichtpunkts mit der Bezeichnung 2M1207b, hinter dem sich ein planetengroßes Objekt verbirgt, das nicht die Sonne, sondern einen anderen Himmelskörper umkreist (genauer gesagt einen Braunen Zwerg – ein Himmelskörper, der kein Stern, aber größer als ein Planet ist). Es handelt sich um die erste Aufnahme eines solchen Objekts.

Einige Jahr später nahm NACO als erstes Instrument überhaupt ein direktes Spektrum eines Exoplaneten auf, der einen Stern in unserer kosmischen Nachbarschaft umkreist. Das erlaubte es den beteiligten Astronomen, in der Atmosphäre des Exoplaneten HR 8799c nach dem Vorhandensein von Methan und Kohlenmonoxid zu forschen.

Mit dem Infrarot-Scharfblick von NACO konnten Forscher außerdem den Staubschleier durchdringen, der das Zentrum der Milchstraße einhüllt. Durch Beobachtungen der Umlaufbahn eines Sterns, der um das galaktische Zentrum kreist, lieferte NACO die bis dahin deutlichsten Belege dafür, dass im Innersten unserer Heimatgalaxie ein Schwarzes Loch mit der Masse einiger Millionen Sonnen sitzt.

Bei jungen Sternhaufen wie dem Arches-Sternhaufen oder wie RCW 38 konnte NACO seine Stärken ausspielen und hunderte dicht gepackter Sterne in den Zentralregionen dieser Haufen individuell abbilden. Somit konnten die Astronomen die frühesten Phasen der Sternentwicklung über ein breites Massenspektrum hinweg untersuchen – von Sternen mit weniger als einem Zehntel der Masse unserer Sonne bis hin zu Sternen mit mehr als 100 Sonnenmassen.

NACO ist ein VLT-Instrument der ersten Generation, das gemeinschaftlich von französischen und deutschen Forschungsinstituten in Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt wurde. Da seine Technik immer wieder auf den neuesten Stand gebracht wurde, ist NACO auch heute noch eines der leistungsfähigsten Adaptive Optik-Systeme weltweit und ermöglicht es den europäischen Astronomen, Spitzenforschung zu betreiben. Im Verlaufe des letzten Jahrzehnts sind weitere Instrumente mit Adaptiver Optik am VLT in Dienst gegangen, und eine Reihe neuer Systeme werden derzeit entwickelt. Adaptive Optik wird ein integraler Bestandteil der nächsten Generation von Teleskopen sein, etwa des European Extremely Large Telescope (E-ELT), eines derzeit in Entwicklung befindlichen Teleskops der 40-Meter-Klasse.

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NACO-Galerie

NACO   Portrait eines Instruments. NAOS-CONICA am 8,2-Meter-Teleskop Yepun des VLT. Der dunkelblauere Ring links im Bild ist der Teleskopadapter; rechts davon ist hellblau NAOS zu sehen. CONICA sitzt im Inneren des roten Kryostaten. Die Kontrollelektronik befindet sich in dem weißen Schrank.

Weitere Informationen:
Pressemitteilungen MPIA 2001-12-03 und eso0137

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NACO   Vergleich mit dem Hubble-Teleskop. Das erste Bild von NACO (rechts) im Vergleich mit einem Bild des Hubble-Weltraumteleskops (links). Beide Bilder zeigen eine äußere Region des jungen Sternhaufens NGC 3603. NACOs Infrarotbild blickt durch die Staubwolken des Haufens und zeigt deutlich mehr Sterne als das Hubble-Bild im sichtbaren Licht, und das mit vergleichbar guter Auflösung Das Bild ist ein aussagekräftiges Beispiel dafür, wie Adaptive Optik die störenden Einflüsse der Erdatmosphäre zu einem guten Teil kompensieren kann.

Weitere Informationen:
Pressemitteilungen MPIA 2001-12-03 und eso0137

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  NACO

NACO   Das erste Bild eines Exoplaneten. Da Sterne ungleich heller sind als Planeten, ist es extrem schwierig, Planeten, die andere Sterne als unsere Sonne umkreisen, direkt abzubilden. Dieses NACO-Bild war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Es zeigt keinen Stern, sondern den Braunen Zwerg 2M1207 (ein Objekt, dessen Masse etwas zu gering ist, als dass es ein richtiger Stern werden könnte) und seinen Begleiter. Spätere Beobachtungen bestätigten, dass dies das erste Bild eines Objekts mit der Masse eines Planeten ist, der einen anderen Himmelskörper als unsere Sonne umkreist.

Weitere Informationen:
Pressemitteilung eso0428

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NACO   Chemischer Fingerabdruck eines Exoplaneten. Im Jahre 2010 gelang es mit NACO, das erste direkte Spektrum eines Exoplaneten aufzunehmen. Das hier gezeigte Bild kombiniert eine Aufnahme des Multiplaneten-Sonnensystems (links) mit dem Spektrum, welches das Licht des Systems in seine verschiedenen Wellenlängen aufspaltet (rechts). Das Spektrum zeigt, dass die Atmosphäre des Riesenplaneten HR 8799c, der den hellen jungen Stern HR 8799 umkreist, Methan und Kohlenmonoxid enthält. In ferner Zukunft könnten ähnliche Messungen es den Astronomen ermöglichen, Leben auf anderen Planeten nachzuweisen.

Weitere Informationen:
Pressemitteilungen MPIA 2010-01-13 und eso1002

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NACO   Auf der Spur des zentralen Schwarzen Lochs. Als NACO seinen Betrieb aufnahm, hatten Astronomen die Region nahe der Radioquelle »Sgr A*«, wo sich das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße befinden dürfte, bereits fast zehn Jahre lang beobachtet. NACO konnte trotzdem noch eine Überraschung beitragen: Seine hochdetaillierten Bilder zeigten, wie der S2 genannte Stern nur rund 17 Lichtstunden – nur drei Mal soviel wie der Abstand zwischen der Sonne und Pluto – an der Position von Sgr A* vorbeiläuft. Damit war die maximal mögliche Größe von Sgr A* auf einen Schlag geschrumpft; deutlicher Hinweis darauf, dass es sich bei dem Objekt in der Tat um ein Schwarzes Loch handelt. Auch die Masse des Schwarzen Lochs ließ sich mit Hilfe dieser Daten erstmals recht genau abschätzen.

Weitere Informationen:
Pressemitteilungen eso0226 und eso0818

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NACO   Kartierung des Saturnmondes Titan. NACO nahm diese sechs Ansichten des Saturnmondes Titan an sechs Nächten im Februar 2004 auf. Bevor die Cassini-Huygens-Mission das Saturnsystem später im gleichen Jahr erreichte, lieferten diese Aufnahmen die besten verfügbaren Karten der Oberfläche des Titan.

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Kontakt

Rainer Lenzen (Leitender Projektwissenschaftler, CONICA)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Telefon: (+49|0) 6221 – 528 228
E-Mail: lenzen@mpia.de

Wolfgang Brandner
Max-Planck-Institut für Astronomie,, Heidelberg
Telefon: (+49|0) 6221 – 528 289
E-Mail: brandner@mpia.de

Markus Pössel (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Astronomie,, Heidelberg
Telefon: (+49|0) 6221 – 528 261
E-Mail: pr@mpia.de



Hintergrundinformationen

NACO ist ein VLT-Instrument der ersten Generation, das gemeinsam von französischen und deutschen Forschungsinstituten in Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt wurde. NACO steht für NAOS-CONICA, die Kombination zweier Akronyme für die zwei Untersysteme des Instruments:

Das Nasmyth Adaptive Optics System (NAOS) wurde mit Unterstützung des Institut National des Sciences de l'Univers/Centre National de la Recherche Scientifique (INSU/CNRS) in Zusammenarbeit mit der ESO von einem französischen Konsortium entwickelt. Das Konsortium besteht aus dem Office National d'Etudes et de Recherches Aèrospatiales (ONERA), dem Institut de Planetologie et d'Astrophysique de Grenoble (IPAG, früherer Name Laboratoire d'Astrophysique de Grenoble) und dem Observatoire de Paris: Laboratoire d'études spatiales et d'instrumentation en astrophysique (LESIA, früherer Name DESPA) und DASGAL (inzwischen aufgelöst). Der Projektmanager ist Gérard Rousset (ONERA), der für das Instrument verantwortliche Wissenschaftler François Lacombe (Observatoire de Paris) und die Projektwissenschaftlerin ist Anne-Marie Lagrange (Institut de Planetologie et d'Astrophysique de Grenoble, OSUG, Université Joseph Fourier/CNRS).

Die CONICA Near-Infrared CAmera wurde von einem deutschen Konsortium in intensiver Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt. Das Konsortium besteht aus dem Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA, Heidelberg) und dem Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE, Garching). Der leitende Projektwissenschaftler (Principal Investigator, PI) ist Rainer Lenzen (MPIA), mit Reiner Hofmann (MPE) als Ko-Projektwissenschaftler.

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Bildmaterial

b PR_111125_1.png PNG RGB 510 x 589 176 KB
PR_111125_1_gr.png PNG RGB 1200 x 1387 954 KB
PR_111125_1_hr.jpg JPG RGB 1467 x 1695
(300 dpi)
2,52 MB


NACO, am VLT installiert.
Bild: ESO
b PR_111125_2.png PNG RGB 510 x 422 135 KB
PR_111125_2_gr.png PNG RGB 1200 x 994 629 KB
02_eso0137l.jpg JPG RGB 2922 x 2421
(300 dpi)
3.28 MB


Ausschnitt aus einer der Außenregionen des Sternhaufens NGC 3603. Bild aufgenommen mit dem Instrument WFPC2 des ESA/NASA-Weltraumteleskops Hubble (I-Filter, Belichtungszeit 400 s).
Bild: HST, NASA/ESA
b PR_111125_3.png PNG RGB 510 x 542 144 KB
03_eso0137e.jpg JPG RGB 753 x 800
(300 dpi)
314 KB


Ausschnitt aus einer der Außenregionen des Sternhaufens NGC 3603, aufgenommen mit NAOS-CONICA (K-Filter, Belichtungszeit 300 s).
Bild: ESO/W. Brandner (MPIA)
b PR_111125_4.png PNG RGB 510 x 514 153 KB
04_eso0137c.jpg JPG RGB 629 x 634
(300 dpi)
470 KB


Der Braune Zwerg 2M1207 und sein Begleiter, ein Objekt mit der Masse eines Planeten.
Bild: ESO / Gael Chauvin (IPAG/MPIA)
b PR_111125_5.png PNG RGB 510 x 506 29 KB
05_eso0428a.jpg JPG RGB 778 x 772 93 KB


Kombination von Bild und Spektrum des mehrfachen Planetensystems des Sterns HR 8799, aufgenommen mit NACO.
Bild: Markus Janson (Univ. of Toronto, MPIA)/Wolfgang Brandner (MPIA)/ESO
b PR_111125_6.png PNG RGB 510 x 351 36 KB
PR_111125_6_gr.png PNG RGB 1200 x 825 127 KB
06_eso1002d.tif TIF RGB 3199 x 2199
(300 dpi)
1.79 MB


NACO-Infrarotbild mit einer Seitenlänge von 2 Bogensekunden. Die Position von Sgr A* ist als Kreuz eingezeichnet; im Mai 2002 kam der Stern S2 der Radioquelle bis auf 0,015 Bogensekunden (entsprechend 17 Lichtstunden) nahe.
Bild: ESO / Reinhard Genzel (MPE)
b PR_111125_7.png PNG RGB 510 x 378 51 KB
PR_111125_7_gr.png PNG RGB 800 x 593 94 KB
07_eso0226c.jpg JPG RGB 971 x 720
(300 dpi)
1.79 MB


Sechs Ansichten von Titan. Das Bild der ersten Nacht (1.-2. Februar 2004, rechts) wurde vergrößert und durch das Koordinatennetz des Titan ergänzt. Es handelt sich um Falschfarbenbilder, in denen die drei SDI-Wellenlängenbereiche rot (1,575 µm; Oberfläche), grün (1,600 µm; Oberfläche) und blau (1,625 µm; Atmosphäre) wiedergegeben sind.
Bild: Markus Hartung (ESO & Gemini Obs.), Rainer Lenzen (MPIA)
b PR_111125_8.png PNG RGB 510 x 204 51 KB
PR_111125_8_gr.png PNG RGB 1400 x 480 214 KB
08_eso0412d.jpg JPG RGB 1924 x 774
(300 dpi)
589 KB




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